
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Zeit in der Reha vergeht unglaublich schnell – so kam es mir zumindest vor. Kaum hatte ich meine Koffer ausgepackt, war die erste Woche schon vorbei. Was dabei alles passiert ist, erzähle ich euch gleich, ich kann euch nur vorabsagen, es war eine Reise, die nicht nur meine Gesundheit, sondern auch meine Einstellung zum Leben mit Lipödem positiv beeinflusst hat. Aber erstmal von vorne: Was passiert alles vor der Reha?
Nachdem ich von der Möglichkeit einer Reha in meiner Selbsthilfegruppe erfuhr, begann ich, mich im Internet zu informieren. Es gibt in Deutschland mehrere Kliniken für lymphologische Rehabilitation, darunter Bad Berleburg, Bad Tabarz, die Földi-Klinik, um ein paar zu nennen. Bitte informiert euch, welche vielleicht in eurer Region ist. Über Bad Tabarz habe ich über Social Media viel gehört, und die Erfahrungsberichte haben mich überzeugt, dass das die richtige Klinik für mich sein könnte.
Als erstes machte ich einen Termin bei meinem Hausarzt und erzählte von meinem Vorhaben und er sagte mir seine Unterstützung zu und gab mir ein Schreiben für meine Krankenkasse mit. Auch meine neue Phlebologin befürwortete eine Reha.
Dadurch, dass ich aber noch berufstätig bin, ist nicht die Krankenkasse für mich zuständig sondern die Rentenversicherung. Ich stellte meinen Reha-Antrag online, was echt einfach ging. Allerdings machte ich einen kleinen Fehler: Ich hatte vergessen, meine Wunschklinik anzugeben. Das Formular hatte schlicht keinen dafür vorgesehenen Punkt. Also schickte ich den Antrag ab und wartete. Schneller als gedacht erhielt ich die Bewilligung – allerdings für eine andere Klinik, nämlich Bad Nauheim.
Da ich unbedingt nach Bad Tabarz wollte, schickte ich einen Änderungsantrag hinterher, in dem ich meine Wunschklinik explizit angab. Und siehe da: Es hatte geklappt! Nach kurzer Zeit erhielt ich die Zusage für 3 Wochen Reha in meiner Wunschklinik. Durch Corona waren die Wartezeiten etwas länger als üblich. Was aber ganz gut war, so konnte ich im März 2023, kurz nach dem Ende der Corona-Maßnahmen, meine lang ersehnte Reha antreten.
Am Anreisetag sollte man früh in der Klinik sein, denn da fanden ein Aufnahmegespräch, schon ein erster Vortrag und die erste Vermessung statt – der Beginn meiner individuellen Therapieplanung. In der Regel werden zunächst nur drei Wochen genehmigt. Sprecht deshalb bei der ersten Visite mit eurem Arzt darüber, ob eine Verlängerung sinnvoll für euch wäre, da diese so früh wie möglich beantragt werden muss.
Der nächste Tag startete ruhig mit einer Blutabnahme und endete mit ersten Einheiten wie Wassergymnastik, einer Einführung in Nordic Walking, Lymphomaten und einem Vortrag zur Gewichtsreduktion. Am Nachmittag folgte noch Entstauungsgymnastik. Das Wochenende war entspannter, was mir die Möglichkeit gab, die Klinik und Umgebung in Ruhe kennenzulernen. Termine wie Lymphomaten und Bandagierungen standen weiterhin an, aber es blieb genug Zeit für Erholung und Austausch mit anderen Patienten. In der Regel werden zunächst nur drei Wochen genehmigt.
Ab Woche zwei hatte ich einen klaren Tagesablauf: Früh morgens um 7:30 Uhr begann mein Tag immer mit Wassergymnastik. Danach folgten wechselnde Sportprogramme wie Nordic Walking, Entstauungsgymnastik oder Einheiten im Kraftraum. Die Nachmittage waren gefüllt mit Vorträgen, Gesprächsrunden oder weiteren Therapien.
Besonders wertvoll fand ich die regelmäßige Lymphdrainage und die Nutzung des Lymphomaten. Diese Behandlungen haben mir spürbar geholfen, die Schwellungen zu reduzieren. Ab Freitag der ersten Woche wurden meine Beine zusätzlich bandagiert – anfangs ungewohnt, aber bald lernte ich, damit umzugehen. Bewegung in den Wickeln gehört fest zum Konzept, und so „watschelte“ ich anfangs wie eine Ente durch die Klinik, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Dank meiner tollen Therapeutin hielten die Wickel perfekt bis abends, dann musste ich die Bandagen mit der Wickelmaschine für die nächste Sitzung vorbereiten.
Die Reha hat mir eines klar gemacht: Zuhause finde ich oft Ausreden, um keinen Sport zu machen. Doch hier habe ich gelernt, wie wichtig Routinen sind und dass ich selbst für meine Entscheidungen verantwortlich bin. Es liegt an uns, unsere Komfortzone zu verlassen und unsere Ziele zu verfolgen. „Sei stärker als deine Ausrede!“ – dieser Gedanke hat mich jeden Tag begleitet.
Ein Beispiel: Nach einem ohnehin sportlichen Tag habe ich mich bei schönem Wetter dazu motiviert, draußen noch zu hullern. Und ich war so froh darüber! Diese kleinen Siege über meinen inneren Schweinehund haben mich jedes Mal aufs Neue stolz gemacht.
Die Reha war nicht nur körperlich ein Gewinn, sondern auch ein Ort, um neue Menschen kennenzulernen. Besonders schön war ein Aktionstag, bei dem ich inspirierende Persönlichkeiten, Selbsthilfegruppen und die Community treffen durfte. Solche Begegnungen bleiben unvergessen und stärken das Gemeinschaftsgefühl.
Natürlich gibt es auch Abschiede, die schwerfallen. Eine Mitpatientin, mit der ich mich sehr gut verstanden habe, hat mich sogar mit einem Überraschungspaket überrascht, nachdem sie schon die Reha verlassen hatte. Solche Gesten zeigen, wie wertvoll die Verbindungen sind, die man während einer Reha knüpft. Und was soll ich sagen, wir haben nach der Reha einen Städtetrip gemacht und haben bis heute immer noch Kontakt.
Die letzte Woche brachte noch einmal viele Highlights. Neben meiner neuen Kompressionsversorgung, diesmal Kniestrümpfe und Leggings sowie ein Bolero, wagte ich eine ausgedehnte Wanderung zur Wartburg. Ursprünglich wollte ich nur die Drachenschlucht erkunden, aber als ich die Burg von weitem sah, setzte ich mir ein neues Ziel. Der Aufstieg war anstrengend, aber der Moment, die Burg zu erreichen, war unbeschreiblich. Ganze 13 Kilometer und 400 Höhenmeter – ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffen würde. Doch dieser Erfolg hat mir gezeigt, wie viel wir erreichen können, wenn wir uns ein klares Ziel setzen und daran festhalten.
Nach vier intensiven Wochen in Bad Tabarz habe ich nicht nur körperliche Fortschritte gemacht, sondern auch mental unglaublich viel mitgenommen. Die Reha hat mir geholfen, mich selbst besser zu verstehen und meinem Körper die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient.
Die Ergebnisse sprechen für sich: weniger Schmerzen, reduzierte Schwellungen und fast fünf Kilo Gewichtsverlust. Aber noch wichtiger ist die Erkenntnis, dass ich die Kontrolle über meine Gesundheit und mein Wohlbefinden selbst in der Hand habe.
Als Lymphpatient hat man die Möglichkeit alle zwei Jahre zur Reha zu gehen. Aktuell passt eine Reha aber nicht in mein berufliches und privates Leben. Aber ich möchte es definitiv bald widerholen. Die Klinik, das Personal und die Gemeinschaft der Patienten haben mir gezeigt, dass es sich lohnt, für seine Gesundheit zu kämpfen. Und bis dahin werde ich mein Bestes tun, das Gelernte in meinen Alltag zu integrieren.
Wenn du selbst mit dem Gedanken spielst, eine Reha zu beantragen, zögere nicht. Informiere dich, sprich mit deinem Arzt und lasse dich nicht von kleinen Hürden abschrecken. Es lohnt sich – für deine Gesundheit und dein Wohlbefinden.
Eure Sabine
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