
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
vor drei Wochen haben wir als Frauensache-Team darüber geschrieben, wie unser Umfeld mit der Diagnose Lipödem umgeht. Als ich meine Gedanken dazu aufschrieb, wurde der Text länger als geplant. Daher gibt es nun eine persönliche Fortsetzung. Für mich brachte die Diagnose einerseits Erleichterung, weil ich endlich wusste, was meinen Alltag erschwert und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt. Andererseits verunsicherte mich die Veränderung, die auf mich zukam, vor allem im Umgang mit Familie und Freunden. In diesem Artikel möchte ich auf diese Erfahrungen schauen.
Vermutlich lebe ich in einer Bubble und bin umgeben von empathischen, zuhörenden und unterstützenden Menschen. Dass meine Beine irgendwie anders sind hat meine Mutter vermutlich als erste festgestellt. Geprägt durch das Leiden meiner Oma mütterlicherseits mit ihren „Gummistrümpfen“ und ständigen Schmerzen in den Beinen, war meine Mama sensibilisiert, auch wenn die Erkrankung damals noch keinen Namen hatte. Ich denke dadurch waren meine Eltern nach der Diagnosestellung annähernd so erleichtert wie ich. Sie haben mich in meinem gedanklichen Chaos und in der Überforderung, wie es weitergeht, aufgefangen.
Als ich mich erstmals über Liposuktionen informierte, haben meine Eltern mich unterstützt – auch finanziell und organisatorisch. Sie haben Urlaub genommen, um mich aus der Klinik abzuholen, und im Gästezimmer wurde ein Bett aufgebaut, damit ich besser aufstehen konnte. Meine Mutter hat Handtücher umgenäht, damit die Coolpacks nicht verrutschen, und den Hausarzt gerufen, als mein Kreislauf schwächelte und die Physiotherapeutin überzeugt, die Lymphdrainage zuhause durchzuführen. Meine Eltern halfen mir abwechselnd beim Anziehen der Kompressionsversorgung. Glaubt mir, das war für uns alle kein Spaß. Heute, nach den Liposuktionen, bin ich routiniert im Selbstmanagement. Bei Besuchen in meiner Heimat sorgt meine Familie für Spezialwaschmittel, wäscht und trocknet meine Kompressionen. Manchmal vereinbaren meine Eltern Termine für manuelle Lymphdrainage, damit ich in meiner Routine bleibe. Gemeinsame Urlaube sind mit Ferienwohnungen mit Waschmaschinen geplant, und meine Familie begleitet mich zu Lipödem-Veranstaltungen. Sie legen Frauensache-Broschüren in der Kirchengemeinde und Arztpraxen aus und in unserer großen Familie benutzt vermutlich niemand mehr andere Kugelschreiber als die von Frauensache. Ich glaube, mehr Unterstützung im Umgang mit dem Lipödem ist kaum möglich. Gerade diese kleinen Gesten – ohne viele Worte – machen den Unterschied. Sie sind es, die mir im Gedächtnis bleiben und mir im Alltag viel bedeuten.
Mein Freundeskreis ist aufgeschlossen, offen und interessiert. Viele stellen Fragen, informieren sich selbst, feiern meine Erfolge mit mir und freuen sich mit mir, besonders wenn ich den Mut finde, zum ersten Mal ein Kleid mit Kompression zu tragen. Sie folgen Frauensache, lesen meine Blogartikel, schauen unsere Videos und geben mir ehrliches Feedback. Sie sind da, hören zu, wenn ich mal genervt bin, und motivieren mich, nicht aufzugeben – sei es, wenn ich keine Lymphtherapeutin mehr habe, meine Kompri rutscht oder ein Termin beim Phlebologen nicht so läuft wie erhofft. Sie gehen mit mir schwimmen. Wenn mich im Freibad oder am See jemand blöd anschaut oder Sprüche macht, sind sie es, die die Person mit einem Blick zum Schweigen bringen und manchmal auch den passenden Spruch parat haben. Meine Freunde fragen mich, ob sich jemand mit der Diagnose Lipödem bei mir melden darf. Ich schätze das Vertrauen, die Ehrlichkeit und die Akzeptanz meiner Freunde sehr. Bei ihnen kann ich ohne schlechtes Gewissen auch mal Nein sagen, wenn mir alles zu viel wird. Sie sind trotzdem immer da – bedingungslos.
Es gibt diesen Spruch: „Freunde sind Familie, die man sich selbst aussucht.“ Ich glaube, ich habe da eine sehr gute Wahl getroffen.
Nach meiner Lipödem- und Lymphödem-Diagnose habe ich wunderbare Frauen kennengelernt, die ebenfalls mit der Erkrankung leben. Juhu, Gleichgesinnte, ich bin nicht allein! Diese Freundschaften geben mir das Gefühl, verstanden zu werden – vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als von meinem anderen Umfeld.
Diese Freundinnen und unsere gemeinsame Verbindung sind ein echtes Glück, weil wir uns über Dinge austauschen können, die andere Menschen kaum nachvollziehen können. Wer sonst weiß schon, wie aufwendig das Vermessen einer Kompressionsversorgung ist, wie schmerzhaft es sein kann, wenn zu viel Gestrick in der Kniekehle drückt, oder wie schweißtreibend das Anziehen der Versorgung an einem stressigen Sommermorgen sein kann?
Von diesen Frauen habe ich viel gelernt. Sie bereichern mich, weil wir auf beiden Seiten der Freundschaft einen Umgang mit der Diagnose und der Erkrankung gefunden haben. Das erweitert meinen Blick und schafft Verständnis, weil ich auch mal auf der anderen Seite stehe und einfach nur Freundin bin.
Wir sind alle unterschiedlich, unser Umgang mit der Erkrankung mag variieren – doch eine gemeinsame Erfahrung verbindet uns und macht uns stark. Diese besonderen Freundschaften sind für mich ein wertvoller Schatz.
Mein berufliches Umfeld ist sehr international, und der Großteil meiner Kollegen ist männlich. Viele kennen oder kannten die chronische Erkrankung Lipödem zunächst nicht. Gemeinsam haben wir im Laufe der Jahre unsere Unternehmenswerte erarbeitet, zu denen auch ein offener und respektvoller Umgang miteinander gehört. Dieses Werteverständnis erlebe ich auch täglich bei meinen Kolleginnen und Kollegen. Früher habe ich mich dafür entschuldigt, wenn mein Toilettengang wegen der Kompressionsversorgung länger dauerte. Doch mir wurde immer gesagt, dass es keinen Grund gibt, sich dafür zu entschuldigen. Für mein Team ist es selbstverständlich, dass ich mal früher gehe oder später anfange, wenn ich einen Arzttermin habe oder ins Sanitätshaus muss. Das größte Gefühl von Verstandenwerden, Zugehörigkeit und Akzeptanz habe ich erlebt, als meine Kollegen mich gebeten haben, einen kurzen Vortrag über Lipödem zu halten. Auch wurde ich gefragt, ob ich Frauensache-Flyer mitbringen könnte. Solche Momente zeigen mir, dass unsere Werte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern im echten Miteinander gelebt werden. Wenn wir offen und respektvoll miteinander umgehen, schaffen wir ein Arbeitsumfeld, in dem sich jeder wertgeschätzt fühlt – unabhängig von Erkrankungen oder persönlichen Herausforderungen.
Und dann ist da noch eine kleine Gruppe Menschen, mit denen ich versuche einen Umgang mit der Erkrankung Lipödem zu erarbeiten. Was mir ehrlich gesagt schwerer fällt, als ich es mir gerne eingestehen möchte. Diese kleine Gruppe besteht eigentlich nur aus zwei Personen: meinen Nichten, 8 und 6 Jahre alt. Sie sind mein innerster Kreis, meine Familie. Es ist noch nicht lange her, da haben sie mich auf meine pinke Kompressionsversorgung angesprochen. Sie fragten, was das für eine Strumpfhose sei, warum ich Handschuhe zum Anziehen benutze und warum ich überhaupt eine Strumpfhose trage. Ich habe versucht zu erklären, warum ich die Kompression trage und dass sie mir hilft, damit meine Beine nicht weh tun. Die beiden haben auch gefragt, was genau ein Ödem ist und ob sie die Erkrankung auch bekommen können, wenn sie groß sind. Wenn ich das nur wüsste…
Insgesamt empfinde ich den Umgang mit meinem Lipödem in meinem Umfeld so, wie ich es mir wünsche. Ich gehe mit dem Lipödem und den Auswirkungen auf meinen Körper offen um. Mir liegt die Aufklärungsarbeit am Herzen, nicht nur hier in den Blogartikeln, bei Instagram und auf den Veranstaltungen, wo ich Frauensache vertreten darf. Deshalb glaube ich auch, dass mein Umfeld das spiegelt und zurückgibt. Aber das ist allein meine Einschätzung. Natürlich ist das nicht immer so, und es gibt auch bei mir Menschen, die komisch reagieren. Wer hat nicht die ein oder andere eigenartige Person in der Verwandtschaft oder im Bekanntenkreis, die Lipödem nur für eine „Trend-Erkrankung“ oder eine Ausrede hält? Ich habe das große Glück, dass ich oft gar nicht mehr alles erklären muss, weil mein Umfeld für mich eintritt und Partei für Lipödem-Betroffene ergreift.
Wie geht ihr selbst mit dem Lipödem um? Wie reagiert euer Umfeld? Und wie erklärt ihr Kindern das Lipödem? Ich freue mich sehr auf eure Kommentare!
Alles Liebe,
Britta
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2 Antworten
Liebe Britta,
Ich freue mich sehr für dich, dass du dich in deinem Umfeld so gut fühlst und dich nicht verstecken musst! Das macht doch immer auch einen Unterschied darin, wie man sich selbst sieht und mit sich umgeht.
Und ich bin dir so dankbar, dass du selbst für so viele Menschen ein wohlfühl- Mensch geworden bist. Das durfte ich nun schon zur Genüge selbst erfahren ❤️
Marcy, du Liebe, vielen Dank für deine lieben Worte und dein Feedback! Bis bald. 🩷