
Liebe Leserin, lieber Leser,
für Frauen mit Lipödem bedeutet Selfcare und Selbstmanagement oft mehr als nur Zeit für sich. Es geht um ganz bewusste Routinen im Alltag, die helfen, mit den Herausforderungen dieser chronischen Erkrankung umzugehen. Unsere Botschafterinnen erzählen, was ihnen für mehr Lebensqualität wichtig ist und wie sich ihr Selbstmanagement entwickelt hat.
Puh, da glaubte ich jahrelang, ich hätte den Dreh raus und dann denke ich einmal intensiver über dieses Thema nach und merke, dass ich zwar vieles weiß, aber nicht alles perfekt umsetze. Die Traumvorstellung ist natürlich, morgens ausgeruht aufzustehen, sich intensiv um die Hautpflege zu kümmern, ein ausgewogenes Frühstück zu essen. Stress wird selbstverständlich vermieden, die Beine regelmäßig hochgelegt, Bewegung so oft es geht in den Alltag integriert.
In Wirklichkeit creme ich mich nicht täglich ein. Auch fahre ich lieber mit dem Auto als mit dem Fahrrad. Und was meine Ernährung angeht… naja.
Und trotzdem achte ich auf mich. Ich achte darauf, dass ich auch nach einem stressigen Tag noch ein Lächeln im Gesicht habe. Dass, auch wenn ich heute spät und ungesund esse, morgen wieder mehr Gemüse auf dem Teller liegt, nach Möglichkeit auch vor 20 Uhr. Wenn ich auch nur jeden zweiten Tag zur Creme greife, dann aber zu einer hochwertigen, reichhaltigen Lotion. Und dank meinem Hund Claus bewege ich mich täglich. Und das alles in Kompression.
Wie wir in unseren Vorträgen zeigen: Selbstmanagement ist ein Haus, die Kompression ist das Fundament. Die verschiedenen Säulen wie Bewegung, Ernährung, Hautpflege, etc. sind durchaus wichtig. Doch nur, weil man mal ein, zwei Tage eine Säule nicht berücksichtigt, fällt nicht gleich das ganze Haus in sich zusammen. Also, nehmt euch den Druck raus, alles immer perfekt machen zu müssen. Denn was ich auf jeden Fall in den letzten Jahren gelernt habe, je gelassener ich mit meinem Lipödem umgehe, desto selbstverständlicher funktioniert das Selbstmanagement für mich.
Das Thema Selbstmanagement spielt seit meiner Lipödemdiagnose 2011 eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben. Mir ist es wichtig, soviel Lebensqualität wie nur möglich, trotz meiner chronischen Erkrankung herauszuholen. Für mich gehören das Tragen der Kompression, Hautpflege, Bewegung, Lymphdrainage und eine grundsätzlich gesunde Ernährung dazu. Ein gutes Stressmanagement lasse ich aber auch nicht außer Acht, da sich dieser schon immer negativ auf mein Lipödem ausgewirkt hat. Ich ernähre mich grundsätzlich eher basisch, bin aber flexibel und schaue einfach auf eine gute Balance. Ich esse also auch Kuchen. Eine strikte Diät halte ich auf Dauer für sehr schwierig umsetzbar. Eine Ernährungsumstellung ist da die bessere Wahl für mich gewesen. Das Training auf dem Trampolin war immer die Sportart, die ich am besten umsetzen konnte.
Seit ich Mama bin, hat sich allerdings wieder gezeigt, wie wichtig es ist, das Selbstmanagement dem persönlichen Leben individuell anzupassen. Nun komme ich durch Spaziergänge mit dem Kinderwagen auf meine Schritte und turne auf der Spielmatte. Kurze Meditationen während des Mittagsschlafs und leicht gekochte Mahlzeiten helfen mir trotz des Zeitmangels auf der Spur zu bleiben. Flexibilität ist sehr wichtig und hilfreich, um am Ball zu bleiben.
Seit einigen Jahren reserviere ich mir mindestens jedes zweite Wochenende einen Tag nur für mich. Einen Tag ohne Verpflichtungen, ohne Verabredungen, ohne Zeitdruck. Einfach frei. An diesen Tagen gibt es keine Hausarbeit, keinen Sportplan, keinen Wecker. Ich lasse mich treiben. Oft bleibe ich morgens noch im Bett liegen und höre Podcasts. Wenn mir danach ist, gehe ich ins Café, frühstücke oder trinke einen Latte Macchiato. Manchmal zieht es mich raus – auf eine kleine Fahrradtour oder einen Spaziergang. Und manchmal bleibe ich einfach zu Hause, backe ein Brot oder einen Kuchen, lese ein Buch oder höre Musik. Was all diese Tage gemeinsam haben: Ich tue nur das, worauf ich wirklich Lust habe. In meinem Tempo, ohne Blick auf die Uhr. Diese Auszeiten sind für mich keine Luxusmomente, sondern eine Notwendigkeit. Ich habe gelernt, dass ich meine Energie gut einteilen muss, um den Alltag mit Beruf, Selbstmanagement und allem, was dazugehört, Woche für Woche meistern zu können. Selfcare bedeutet für mich nicht nur Wellness oder Achtsamkeitsübungen – sondern ganz konkret: Zeit für mich einzuplanen. Zeit, die mir neue Kraft gibt.
Bei allen chronischen Erkrankungen, somit auch bei Lipödem, spielt ein gut angepasstes Selbstmanagement eine besonders wichtige Rolle.
Natürlich findet man heutzutage sehr viele Tipps und Informationen, die dabei sehr hilfreich sein können. Wichtig ist nur zu berücksichtigen, dass wir alle unterschiedliche Menschen sind und unsere Bedürfnisse dementsprechend auch verschieden sind. Genau dieser Aspekt ist mir am Anfang entgangen. Ich sammelte alle möglichen Tipps und versuchte jeden kleinsten umzusetzen, bis ich mich irgendwann zwischen Kompression und Lymphdrainage selbst verloren habe und mein Leben nur aus Lipödem bestand.
Zum Glück wurde das konstante Tragen der Kompression, deren Pflege so wie die spezielle Hautpflege schnell zur Routine. Auch die regelmäßige Lymphdrainage wurde zur Selbstverständlichkeit wie ein Frühstück. Dann habe ich festgestellt, dass ich gar nicht so viel verändern muss. Ich habe mich immer sehr gerne und viel bewegt, auch das frische und gesunde Kochen gehörte seit langem zu meinem Leben.
Es gibt trotzdem etwas, was ich von neu lernen musste, nämlich dass nicht nur ein erkrankter Körper umsorgt werden muss. Auch die seelischen Bedürfnisse brauchen volle Aufmerksamkeit. Deswegen versuche ich nach Möglichkeit Stress zu reduzieren, dafür mehr Selbstfürsorge in mein Leben zu integrieren. Mittlerweile tut es mir wirklich gut, nicht nur die anderen Menschen, aber auch mich selbst zu fragen: was würde dir jetzt gut tun?
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