
Liebe Leserin, lieber Leser,
Als ich mit über 50 die Diagnose Lipödem bekommen habe, war es für mich und meine Familie keine Überraschung, sondern eine Bestätigung dessen, was wir schon seit langem wussten. Da unsere Tochter Marlene schon in der Pubertät an Lipödem erkrankte, war dieses Thema kein Neuland für uns. Trotzdem, viele Jahre später, als auch mein Leiden den Namen Lipödem bekam, fühlte ich zwar einerseits eine gewisse Erleichterung, aber gleichzeitig war ich dennoch traurig und verunsichert.
Dank meiner Familie, die mich sofort aufgefangen und aufgemuntert hat, konnte ich aber schnell positiv in die Zukunft schauen. Natürlich bekam ich die größte Unterstützung von Marlene, die zu diesem Zeitpunkt schon ein wahrer Profi auf diesem Gebiet war und mich in die Kompriwelt einführte. Sie kümmerte sich um alle Termine bei guten Spezialisten und begleitete mich dorthin. Dank Marlene entdeckte ich Frauensache für mich und wurde selbst zu einer Botschafterin, was die restliche Familie mit großer Freude begrüßte und unterstützte. Leider ist mein Umfeld auch nicht von Menschen befreit, die sich trotzt des fehlenden Wissens das Recht herausnehmen, über alles urteilen zu wollen. Dementsprechend wurden mir auch ein paar unverschämte Kommentare nicht erspart. Dabei ging es eigentlich immer um mein Gewicht. Schmerzen oder andere Symptome wurden immer überhört und nicht wahrgenommen – die sieht ja niemand. Somit wurde ich beispielsweise gefragt, ob ich mir das mit den Strümpfen antun möchte oder ob es nicht leichter wäre abzunehmen. Ich weiß, dass am Anfang einige Bekannte mein Auftreten im Internet belächelt haben. Dank meiner Nächsten ist es mir aber gelungen, solchen Menschen keine Macht über mich zu geben. Ich weiß, dass wahre Freunde zu einem stehen und in jeder Lebenslage unterstützen. Ich habe das große Glück, solche Menschen um mich zu haben. Die anderen lasse ich ihren eigenen Weg, wenn es denn sein muss, auch ohne mich gehen.
Meine Familie war und ist eine große Unterstützung im Umgang mit meinem Lipödem. Besonders nach der Diagnose, als ich noch dabei war, mich wiederzufinden, haben sie mir viel Halt gegeben. Sie haben geduldig zugehört und mich in meinen Zweifeln ernst genommen. Auch organisatorisch und finanziell haben sie mich unterstützt, vor allem während der Zeit der Liposuktionen. Zum Beispiel haben meine Eltern sich Urlaub genommen, um mich nach den Eingriffen aus der Klinik abzuholen und sich anschließend liebevoll um mich zu kümmern. Heute ist der Alltag mit Lipödem und dem Selbstmanagement für mich genauso wie für meine Familie zur Routine geworden. Es tut gut zu wissen, dass meine Familie mich so akzeptiert und unterstützt.
Auch meine Freunde gehen offen und interessiert mit meiner Erkrankung um. Sie fragen nicht nur aus Höflichkeit, wie es mir geht oder was meine Beine machen, sondern zeigen echtes Interesse. Sie lesen unsere Artikel auf Frauensache, schauen die Reels auf Instagram und freuen sich mit mir, dass ich inzwischen mutig genug bin, bunte Kompressionsversorgungen sichtbar zu Kleidern zu tragen. Mir wurde nie Mitleid entgegengebracht, und das empfinde ich als sehr wertvoll. Meine Freunde bestärken mich darin, meinen Weg zu gehen und mich nicht von negativen Gedanken beeinflussen zu lassen.
Vielleicht lebe ich ja in einer positiven Bubble aus wunderbaren Menschen, die mich und meine chronische Erkrankung so akzeptieren, wie ich bin – aber dann ist das für mich eben genau richtig so. Da es so viele schöne Momente und Erlebnisse mit diesen großartigen Menschen in meinem Umfeld gibt, möchte ich dazu noch einen ausführlicheren Artikel schreiben. Den wird es dann natürlich hier bei Frauensache zu lesen geben.
Da in 2016, als ich die Diagnose und anschließend die Kompression erhalten habe, die öffentliche Aufklärung über Lipödem erst begann, konnte keiner so recht etwas mit dem Begriff anfangen. Dennoch war viel Halbwissen unterwegs und wenn jemand nicht mit „Davon habe ich noch nie gehört“ reagiert hatte, dann häufig mit „Ach, da kam doch letztens was im Fernsehen“, wahlweise gefolgt von „Aber Du bist doch gar nicht dick“ oder „Ist ja jetzt irgendwie ne Modekrankheit“ oder auch „Das glaub ich nicht, da musst Du nochmal zu einem anderen Arzt“.
Aber ob nun, Freunde, Familie oder auch Kollegen, grundsätzlich gab es überall die gleichen Typen:
– Die Neugierigen, die eigentlich nur nachfragen, um etwas zum Weitererzählen zu haben. Je schlimmer desto besser. Aber immerhin hören sie zu.
– Die Helfen-Wollenden, die einem jeden Zeitungsartikel zukommen lassen und sich sogar selbst über Behandlungsmöglichkeiten informieren. Wirklich lieb gemeint, leider aber etwas zu viel, wenn man noch nicht genau weiß, wo die eigene Reise hingeht.
– Die Unverständigen, die auch nach Jahren nicht nachvollziehen können, dass man aufgrund einer Erkrankung manches nicht mehr so machen kann wie früher. Dass sie selbst, zumindest zeitweise, nicht immer in Topform sind, ist natürlich etwas anderes.
– Und dann noch die Den-Menschen-sehenden, für die es einfach keinen Unterschied macht. Ob ich nun plötzlich alles in Leoprint oder eben eine Kompression trage, ob wir uns weiterhin zu sportlichen Aktivitäten treffen oder nach und nach häufiger für einen Videoabend. Für sie bin ich die selbe Person wie vor Erhalt der Diagnose.
Wirklich negative Erfahrungen habe ich zum Glück nicht gemacht. Und auch mein Umgang mit unangemessenen Kommentaren, zu persönlichen Nachfragen sowie unsinnigen Ratschlägen ist im Laufe der Zeit gelassener geworden.
Mit Sicherheit auch dank meinem Partner, der zum letzten Typen gehört und mich unterstützt, wann immer ich Unterstützung brauche.
So jemanden wünsche ich auch Dir!
Als ich meine Lipödemdiagnose 2011 erhalten habe, war ich gerade Anfang zwanzig. Wie man sich vielleicht vorstellen kann, war ich froh nun endlich Klarheit in Bezug auf meine Symptome zu haben. Es war allerdings alles andere als leicht, in diesem Alter damit gut umzugehen. Wie würde wohl meine Zukunft aussehen? Das war meine größte Sorge. Ich war mit meinem Freund seit ca. anderthalb Jahren zusammen und wusste nicht, wie er darauf reagieren würde. Vor allem mit dem Wissen, wie sich das Lipödem noch über die Jahre entwickeln könnte.
Als ich aus dem Behandlungsraum kam, wartete dort meine Mutter Elisabeth auf mich. In solchen Momenten merkt man erst, was für ein Segen das ist, ein Auffangnetz im Leben zu haben. Auch wenn du fällst, landest du weich. Elisabeth hat mich in die Arme genommen und einen tollen Tag mit mir verbracht, um mich aufzumuntern. Sie hat mir dabei geholfen, in jeder Lebenssituation das Glas halb voll zu sehen. Das hat mir den Umgang mit der Diagnose sehr erleichtert. Deshalb ist es mir auch wichtig, einen positiven Umgang mit der chronischen Erkrankung zu zeigen (soweit das natürlich möglich ist). Es kann den Lebensweg stark prägen und verbessern. Mein Vater ist mit mir weite Strecken gefahren, um sich die Einschätzung weiterer Experten einzuholen. Mein Freund hat mich ebenfalls von Anfang an unterstützt und hat mit mir zahlreiche Lipödemveranstaltungen besucht. Heute sind wir verheiratet und das Lipödem hat unsere Ehe nie negativ beeinflusst, sondern hat uns eher zusammengeschweißt. Ein Auffangnetz ist das Wichtigste, sei es die Familie, seien es Freunde oder eben die Community im Netz. Neue Freundschaften entstehen überall. Niemand ist allein.
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